— Metternich, Karlsbader Beschlüsse, Georg Forster, Alexander von Humboldt, Wiener Kongreß, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Hessen, Befreiungskriege, Blücher — 2 min read
Im Juni 2020 werden anderswo Denkmäler gestürzt, weil die mit ihnen Gefeierten Unterdrücker, Kriegstreiber oder Sklavenhalter waren.
In Rheinland-Pfalz werden welche symbolisch aufgerichtet.
Der Tourismus-Werbeprospekt vom Frühjahr 2020 titelt:
Schatzkammer Rheinland-Pfalz: „Auf den Spuren gekrönter Häupter“.
Es gäbe andere Erinnerungsorte. Einen solchen hat Georg Forster (1754-1794) bei seiner mit Alexander von Humboldt unternommenen Rheinreise auf der Festung Ehrenbreitstein erlebt.
Diese Festung ist übrigens pietätlos unter anderem mit Steinen aus dem „auf Abbruch“ verkauften Zisterzienserkloster Heisterbach erbaut, und ähnlich hat Prinz Friedrich von Preußen als Angehöriger einer Familie „gekrönter Häupter“ sich zur dekorativen Restauration der ihm „geschenkten“ Burg Rheinstein (Fatzberg) nach 1825 mancher steinerner Zierden bediente, die zur Baustelle des Kölner Doms gehörten.
Erst danach wurde ja erst in einer gemeinsamen Anstrengung der Bevölkerung mit Sammelaktionen die Vollendung dieses Domes begonnen. Seine feierliche Einweihung wurde dann wieder einem „gekrönten Haupt“ als Ruhmestat angerechnet.
Was Georg Forster auf dem Ehrenbreitstein erlebte, sagt auch etwas aus über die Taten „gekrönter Häupter“:
Der schöne Ausblick von oben – „nichts von dem allen konnte mich für den abscheulichen Eindruck entschädigen,
den die Gefangenen dort auf mich machten, als sie mit ihren Ketten rasselten und zu ihren räucherigen Gitterfenstern
hinaus einen Löffel steckten, um dem Mitleiden der Vorübergehenden ein Almosen abzugewinnen. Wäre es nicht billig,
fiel mir dabei aufs Herz, daß ein jeder, der Menschen zum Gefängnis verurteilt, wenigstens einen Tag im Jahre
mit eigenen Ohren ihr Gewimmel, ihre himmelstürmende Klage vernehmen müßte, damit ihn nicht der tote Buchstabe des Gesetzes,
sondern eigenes Gefühl und lebendiges Gewissen von der Rechtmäßigkeit seiner Urteile überzeugte?
… Ist der Verlust der Freiheit kein hinreichendes Sühneopfer, und fordert die strenge Gerechtigkeit
noch die Marter des Eingekerkerten?“
(Forster, Georg: Forsters Werke in zwei Bänden. 2.Band: Ansichten vom Niederrhein. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag. 1983, S. 25)
Von „gekrönten Häuptern“ dieser Zeit ist noch mehr Bemerkenswertes zu berichten:
Ich schaute mehr zufällig in die „Geschichte Deutschlands im Neunzehnten Jahrhundert“ des Breslauer Historiker Georg Kaufmann <1842-1929> (Berlin: G. Bondi 1912). Mir fiel auf, wie das nach der Französischen Revolution und nach Napoleon im Wiener Kongress 1815 sanktionierte vernunftwidrige Metternich´sche System des „Gottesgnadentums“ auch dem niederträchtigsten Herrscher viel Handlungsfreiheit zubilligte. Er konnte sich immer darauf berufen, niemandem anders verantwortlich zu sein als dem Gott, von dessen (und von Metternichs) Gnaden er Herrscher war.
In den „Befreiungskriegen“ gegen Napoleon hatten viele junge Menschen ihr Leben eingesetzt, um die Länder Deutschlands von den Franzosen zu „befreien“. Wenn auch dank des französisch geprägten „Code Zivil“ (dem allgemeinen Gesetzbuch) die Menschen der westlichen Regionen Deutschlands (damit auch unserer heutigen Region) mehr Freiheiten hatten als zuvor, ging es doch darum, die Bevormundung durch Frankreich abzuschütteln. Der gefeierte Rheinübergang der Armee von Blücher 1812/1813 gehört in diesen Zusammenhang.
Nach dem von Metternich geprägten Wiener Kongress 1815 haben diese „gekrönten Häupter“ und Volksfeinde die ihren „Untertanen“ versprochenen Verfassungen verweigert oder nur sehr unvollkommen eingeführt und dann oft noch weniger beachtet.
Die moralische Verkommenheit vieler der regierenden Herrscher von Gottesgnaden in dieser Zeit ist kaum nachvollziehbar, selbst wenn man an den moralischen Niedergang vieler aus den heutigen Eliten in Wirtschaft und Politik in Deutschland denkt.
Ein Beispiel ist der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Hessen. Er war erst bis zu dessen Tod 1847 Mitregent seines Vater Wilhelm II. von Hessen, dann Alleinherrscher, bis Kurhessen 1866 mit der Niederlage Österreichs gegen Preußen seine Selbständigkeit verlor.
Berüchtigt ist er geworden, weil er um einer Mätresse willen seine Mutter demütigend misshandelte, und weil er mit seinem langjährigen Minister Hassenpflug („der Hessen Fluch“) ein erbitterter Kämpfer gegen Demokratie und Volkssouveränität war. (Kaufmann 359f.)
Unter Umgehung geltenden Rechts hat Metternich 1819 die „Karlsbader Beschlüsse“ eingefädelt, mit denen in den „Demagogenverfolgungen“ die Lebensläufe vieler junger Menschen schicksalhaft beeinträchtigt wurden, wenn sie sich aus dem Gefängnis vorgeschriebenen Denkens befreien wollten. Gleichzeitig wurden die selbstherrlichen Regierungen vieler dieser „gekrönten Häupter“ polizeilich geschützt.
Gibt es in unserer Region nichts Anderes zu feiern als solche „gekrönten Häupter“?
Da kann man noch nach Beispielen suchen.